Das letzte Stündlein der Kugelkäfer

Badische Zeitung - 18.04.2020

Experten packen Friesenheimer Fachwerkhaus wegen Käferbefall in Plastikfolie

Von Ulrike Derndinger

FRIESENHEIM. Jetzt hat es sich ausgekrabbelt: In einem mehr als 250 Jahre alten Fachwerkhaus in Friesenheim haben sich Millionen von Kugelkäfern eingenistet. Um sie loszuwerden, hat eine Spezialfirma aus Dresden das Gebäude an der Friesenheimer Hauptstraße luftdicht verpackt. Danach tötet sie die Insekten mit Gas.

Als wäre Verhüllungskünstler Christo am Werk gewesen: Das historische Haus an der Hauptstraße 48 mit dem eingravierten 1768 im Haustürsturz ist wie ein riesiges Geschenk eingewickelt in weiße Plastikfolie. „Fehlt nur noch die rote Schleife“, sagt Paul Frömbgen aus Kehl und schmunzelt. Der Anlass, warum er hier ist, ist weniger lustig. Das Elternhaus seiner Frau Roswitha ist mit Kugelkäfern verseucht. Um es weiterhin zu erhalten, müssen sie die lästigen Viecher loswerden.

Kugelkäfer, auch Buckelkäfer genannt, treten häufig in Fachwerkhäusern auf. Oft geschieht das, ohne dass die Bewohner etwas davon merken. Erst bei Renovierungsarbeiten kommt die Plage dann zum tragen. Ähnlich war es auch bei Familie Frömbgen. Wie es zu dieser starken Vermehrung kommen konnte, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, sagt Roswitha Frömbgen. Das Ausmaß wurde den Frömbgens vor zwei Jahren offenbar: Die nicht mal stecknadelkopfgroßen Käfer kamen zu tausenden aus allen Ritzen hervorgekrochen. Der zu Hilfe gerufenen lokale Kammerjäger verwies die Frömbgens auf die Dresdner Spezialfirma Groli. Am Dienstag nach Ostern rückte das vierköpfige Arbeitsteam an. Heute an einem sonnigen Donnerstagmittag, lugt nur noch rückwärtige Rest des Hauses heraus. Wenig später ist auch dieser Teil unter der weißen, gasdichten Folie verschwunden.

Das Haus wird zunächst dicht gemacht

Seit 27 Jahren arbeitet Uwe Krell als Schädlingsbekämpfer. Mit der Firma ist er deutschlandweit im Einsatz, in Kirchen, Museen und Kindergärten. Im Bundesgebiet gibt es nur ein Handvoll Unternehmen, die die Erlaubnis haben, solche Begasungen zu machen, teilt die Firma mit. Den Einsatz in Friesenheim leitet Krell als „Begasungsleiter, wie die Qualifikation offiziell heißt. Der Fall sei für Ihn Routine, sagt er und berichtet, wie die Firma dabei Schritt für Schrift vorgeht.

Erster Schritt der behördlich genehmigten Aktion ist die „Einhausung“: „Mit der Folie wird das Haus so gut wie dichtgemacht.“ Wenn sicher sei, dass die Folie hält, wir drei Tage lange mit Schläuchen das Gas Sulfurylfluorid eingeleitet. Laut Firma ist das ein geruchs- und farbloses und nicht brennbares Gas, das bei Haukontakt uns beim Einatmen giftig ist. Während es ins Haus einströmt und Eier, Larven, Puppen und die Insekten tötet, kontrolliert Krell immer wieder die Konzentration des Gases. Auch außerhalb des Hauses und in der Nachbarschaft werden die Gaswerte überwacht. Danach wird das Haus zwei bis drei Tage gelüftet. Aber schon nach wenigen Stunden könne das Haus wieder ohne Schutzausrüstung betreten werden, teilt die Firma mit. Beim ersten Betreten allerdings muss Krell vorsichtig sein. Er kann nur mit Atemschutzmaske hinein, um die Fenster zu öffnen und Ventilatoren anzuwerfen, die Frischluft hereinpusten. Wenn die Test-Insekten, die er in Röhrchen ausgelegt hatte, tot sind, war die Methode erfolgreich. Liegt die Gaskonzentration schließlich unter einem Millionstel Teil eines Gramms, kann er das Haus freigeben, geplant ist die Übergabe für nächsten Donnerstag.

Diese Methode sei schnell, wirkungsvoll und materialschonend, und das Haus sei sofort wieder bewohnbar, ist Krell überzeugt. Das Gas durchdringe Holz, greife Möbel und andere Einrichtungsgegenstände aber nicht an. Lediglich Lebensmittel und Pflanzen müssten entfernt werden. Auch blieben keine Rückstände wie beim Einsatz von Gift übrig. Übrig bleibt dagegen die Folie. Parallel zur Entlüftung wird sie abgenommen und entsorgt – falls niemand vorbeikommt, der sie gebrauchen könne, meint Krell.

Das Prozedere ist nicht ganz billig. Die Frömbgens investieren in die Käfervernichtung einen fünfstelligen Betrag. Seine Frau, die ihre Kindheit hier verbrachte, hänge sehr an dem Anwesen mit dem großen, idyllischen und stilvoll gepflegten Garte, begründet Paul Frömbgen. Sie hoffen nun, dass der Kugelkäfer nicht in großer Zahl wiederkehrt. Klar sei aber gewesen, dass dringend gehandelt werden muss.

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