Lausitzer Rundschau - 19.06.2023
Tage des Holzwurms im Drandorfhof gezählt
Von Rico Meißner
Schlieben.
Drandorfhof in Schlieben ist es leider nicht nur der Holzwurm, sondern auch der Hausbock. Unter anderem im Speicher und in der Märchenstube. Und den ungebetenen Gästen geht es seit Ende voriger Woche mit hohem Aufwand an den Kragen. Der Amtsdirektor von Schlieben, Andreas Polz, berichtet, dass das Problem schon länger bekannt ist. „Dann fingen wir an, uns Gedanken zu machen, wie man diesen Schwierigkeiten Herr werden könnte.“ Eine einzelne chemische Behandlung der Balken und der Exponate wäre auf der einen Seite zu aufwendig und auf der anderen Seite zu unsicher geworden. Zumal gerade die Balken aus historischem Holz teilweise bereits mit modernen Holzbalken verstärkt worden sind. „Nachdem sich das Bild immer mehr verschlechtert hat und überall das Holzmehl auf dem Boden lag, haben wir uns zu einer Begasung des kompletten Gebäudes entschieden.“
Aktion lange geplant
An dieser Stelle kommt Marco Müller ins Spiel, Diplom-Ingenieur und Geschäftsführer der Firma „GROLI – Schädlingsbekämpfung GmbH“ aus Dresden. Müller kennt die Gegend gut, er hat früher einmal hier gelebt. „Ich habe mir das schon im vergangenen Jahr alles angeschaut, dann ein Angebot abgegeben und den Zuschlag bekommen.“ Das gesamte Gebäude ist bereits mit etwa 650 Quadratmetern Folie und rund 750 Metern Klebeband eingepackt. Nichts darf ausgelassen werden; keine Tür, kein Fensterrahmen. Da das Gas logischerweise das Holz durchdringt, muss, sofern von innen keine Sperre vorhanden ist, auch das komplette Dach von außen eingepackt werden, was hier der Fall ist. Vier Mitarbeiter brauchen dafür zwei Tage. Die Begasung dauert dann drei Tage. Gemacht wird dies mit Sulfuryldifluorid, einem farb- und geruchslosen Gas. Den Schaden im Holz richten die Larven an. Sie fressen sich über mehrere Jahre hinweg durch das Material, ehe sie sich verpuppen und dann als Käfer ausfliegen. „Unsere Behandlung zielt auf alle Entwicklungsstadien, also von den Eiern, über die Larven bis zu den Käfern“, erklärt Marco Müller.
Kontrolle über das Gas
Das Gebäude ist mit dünnen Schläuchen ausgelegt, und der Ingenieur bittet eindeutig darum, auf keinen zu treten und ihn so möglicherweise zu beschädigen. Zusätzlich installiert sind Messinstrumente, um die Konzentration des Gases oder den Druck regelmäßig im Blick haben zu können. Zur Dokumentation der Messergebisse als Qualitätssicherung wird eigene Software eingesetzt. Sie zeichnet die verstrichene Zeit, die Konzentration am jeweiligen Messpunkt und den Zeitverlauf auf.
Aber wie kann man sich sicher sein, dass nach den drei Tagen wirklich alles abgetötet ist? Dafür gibt es etwa halbe Meter lange „Prüfbalken“. Sie werden vor der
Prozedur gezielt infiziert, mit einem Siegel versehen und in dem Objekt ausgelegt, das unter Gas gesetzt wird. „Wir müssen so arbeiten, dass unsere Leistungen zu einhundert Prozent Erfolge aufweisen“, sagt der Geschäftsführer. „Erst, wenn nach Abschluss alle Prüfbalken wieder draußen und getestet sind, können wir wirklich sicher sein, dass alles drinnen tot ist.“
Neben Privathäusern haben auch schon Museen, Kirchen oder Kitas die Arbeit der Firma in Anspruch genommen. „Da muss man sich immer genau anschauen, wie
die Rahmenbedingen sind. Manchmal auch Leute überzeugen, dass das Gas keine wertvollen Gemälde in einer alten Kirche zerstört.“
Hohe Anforderungen
Auch sonst sind die Anforderungen an die Arbeitsbedingen der Schädlingsbekämpfer hoch. Es gehören spezielle Ausbildungen, beispielsweise mit Atemschutzmasken,
dazu oder auch eine Sanitätsausbildung. Außerdem müssen in einem weiten Umfeld, bevor ein solcher Einsatz starten kann, die entsprechenden Stellen informiert sein. Also etwa die Polizei, die Feuerwehr oder die Krankenhäuser“, beschreibt es Müller. „Aber, wenn es einmal losgegangen ist, dann bin ich vor Ort der Hauptverantwortliche und kann auch Anweisungen geben. Dennoch macht ihm die Arbeit viel Spaß. Sicher, es ist eine riesige Verantwortung, aber man ist viel draußen unterwegs, hat tolle Maschinen, mit denen man arbeiten kann und natürlich auch Spaß an der Sache.“ Eine Sache, die nicht unbedingt ganz billig ist. Für das aktuelle Objekt beläuft sich die Summe auf 36.000 Euro. 30.000 davon hat die Sparkasse Elbe-Elster übernommen.
Exponate in Quarantäne
Im Idealfall wird die Behandlung also ein Erfolg sein. Es stellt sich allerdings noch ein weiteres Problem. Viele Exponate, die dem Museum im Speicher angeboten werden, stammen aus alten Zeiten und sind somit zu einem großen Teil aus Holz gefertigt. Wenn es sich dabei zum Beispiel um alte Scheunenfunde handelt, wie stellt man sicher, dass man mit einem neuen Stück sich nicht gleich wieder einen neuen Befall ins Haus holt? „Nach Abschluss der Arbeiten hier, werden neue Stücke erst einmal in eine Art Quarantäne kommen, um sicherzustellen, dass sie nicht befallen sind. Möglicherweise müssen wir sie dann noch einmal separat begasen.“ Für das alte Gebälk des Gebäudes in Schlieben sind das wahrscheinlich gute Nachrichten. Für
Hausbock und Holzwurm wohl eher nicht.
Testhölzer in der Kirche ausgelegt
Um den Erfolg der Begasungsaktion auch zu überprüfen und nachzuweisen, sind in der Kirche mehrere verplombte Holzbalkenstücke mit dem Schädling ausgelegt worden. Ist der Schädling in den Prüfstücken tot, dann ist er es auch in den
Holzteilen der Kirche. „Der Befall in der Kirche ist schon recht stark. Wenn man jetzt nicht handelt, würde es schlimmer werden und es könnte passieren, dass es an einigen Holzbauteilen zu statischem Versagen kommt. Dann müssten diese komplett erneuert werden“, so Müller.
Zwei bis acht Jahre lebt so ein Holzwurm und frisst in dieser Zeit in etwa so viel Holz wie in eine Espressotasse passt, verdeutlicht Müller. Dann verpuppt sich die Larve und wird zum Nagekäfer, der 20 bis 40 Eier legt und nach drei bis vier Wochen stirbt. Die Begasungsaktion wird auch gleich dazu genutzt, um andere befallene Holzgegenstände vom Schädling befreienzu lassen. Dazu haben einige Einzelpersonen und Institutionen im Vorfeld Möbelstücke und mehr in die Kirche gestellt.
Für die Zeit der Schädlingsbekämpfung ist das Gotteshaus natürlich geschlossen. Bis zum 2. September soll sie für Besucher unzugänglich sein.
Der Drandorfhof ist ein ehemaliges Rittergut und das Stammhaus des ausgestorbenen Adelsgeschlechts derer von Drandorf. Der Quellenlage zufolge kommt ebenso der gleichnamige Ort Drahnsdorf bei Luckau in diesen Kontext.[1] Der Drandorfhof befindet sich in Schlieben im Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg in der Ritterstraße.
Zu den bedeutendsten Vertretern derer von Drandorf zählt der 1390 in Schlieben geborene und 1425 in Heidelberg auf dem Scheiterhaufen hingerichtete Vorreformer Johann von Drandorf. Den Junker von Drandorf ereilte 1661 wegen Doppelehe dasselbe Schicksal. Die Familie gilt als uradeliges Geschlecht, womöglich bereits 1162 schriftlich Erwähnung findend, und hauptsächlich im Raum[2] des sächsischen Kurkreis ansässig war.[3] Nach 1800 verlieren sich die genealogischen Spuren dieser Familie.[4]
Das in seiner heutigen Form noch bestehende Gutshaus nebst Stallanlagen und Kornspeicher wurde im 18./19. Jahrhundert erbaut. Das Ensemble gilt als sogenannter Vierseitenhof.
Wikipedia – 23.06.2023