Hohenloher Tageblatt - 29.03.2025
Gebäudeschutz- In der Bächlinger Johanneskirche ist der Wurm drin: Schädlingsbekämpfer rücken in diesen Tagen dem „Gewöhnlichen Nagekäfer“ mit Gas zu Leibe.
Von Thorsten Hiller
Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, die Arbeiter, die derzeit rund um die Bächlinger Johanneskirche zu sehen sind, gehören nicht zum Team des verstorbenen Verpackungskünstlers Christo. Es sind Profis, die an einem großen Problem arbeiten. Marianne Mühlenstedt von der evangelischen Kirchengemeinde Langenburg bringt es auf den Punkt: „Bei uns ist einfach der Wurm drin.“ Schon bevor sie 1991 nach Bächlingen kam, berichteten ihr die Menschen, seien immer wieder die typischen Bohrmehlhäufchen am Dachstuhl, an Kirchenbänken und Holztreppen zu finden gewesen. Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre musste eine Treppe saniert werden. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur einzelne Stufen, sondern die gesamte Tragkonstruktion morsch und von den Larven des „Gewöhnlichen Nagekäfers“, besser bekannt als Holzwurm, zerfressen war. Sie musste komplett ersetzt werden.
Schutzmittel wirkungslos
Von 2006 bis 2007 wurde die Kirche generalsaniert. Dabei wurden die befallenen Hölzer mit einem Holzschutzmittel behandelt. „Das hat nicht viel gebracht, nach kurzer Zeit kam der Käfer wieder“, berichtet Marianne Mühlenstedt. „Er ist überall, auch in den Zwischenböden.“ Die Kirchengemeinde dachte an eine umfassendere Bekämpfung des Schädlings – zunächst nur im Gebäude und im unteren Teil des Turms. Doch Gutachter wiesen die Verantwortlichen darauf hin, dass auch die charakteristische Turmspitze betroffen ist. Wenn der Holzwurm nicht überall beseitigt werde, sei ein erneuter Befall vorprogrammiert, lautete die Warnung. So plante man eine vollständige Beseitigung und beauftragte eine Spezialfirma. Die Firma Groli in Oberwartha bei Dresden konzentriert sich seit 1990 auf die Schädlingsbekämpfung. Neben dem klassischen Ungeziefer kümmern sich die Experten auch um Holzwurmbefall in historischen Gebäuden – als einer der wenigen Spezialbetriebe in Deutschland.
Geschäftsführer Marco Müller erklärt, dass es drei Bekämpfungsmethoden gibt: chemische Mittel direkt auf das Holz, das Aufheizen des Gebäudes und die Begasung. Während die beiden anderen Verfahren entweder nicht wirklich effektiv oder sehr aufwendig und teuer seien, wirke das Gas „zu 100 Prozent“.
Luftdicht verpackt
Dazu musste das Gebäude allerdings luftdicht verpackt werden. Es kamen die „Verpackungskünstler“ zum Einsatz: Sie wickelten die gesamte Kirche in Folie ein, rund 1600 Quadratmeter waren nötig. Parallel dazu wurde das Gebäude aufgeheizt, „dann sind die Holzwürmer aktiver“. Anschließend wurde das Gas („Vikane“) über Schläuche eingeleitet. Das Zellgift muss über das Wochenende einwirken und tötet die Tiere in allen Entwicklungsstadien (Ei, Larve, Puppe, Käfer). Die Arbeiten werden mit elektronischen und biologischen Sensoren dokumentiert: Stimmt die Konzentration des Gases in allen Bereichen des Gebäudes? Wurden die Tiere in den eingebrachten Proben abgetötet? Während der Arbeiten überwacht ein Kollege vor Ort die Einhaltung der Grenzwerte. Im Vorfeld wurde geprüft, ob andere Tiere (insbesondere Fledermäuse) in dem Gebäude leben, um sie nicht zu gefährden.
Ab Montag wird das Gas rückstandsfrei aus der Kirche abgepumpt, die Räume gelüftet und die Verpackung zurückgebaut. Marco Müller ist sich sicher, dass sein fünfköpfiges Team damit „den Befall auf Null gesetzt“ hat. Das sei wichtig, denn bei der vorherigen Besichtigung der Kirche fielen die Tausenden kleinen Löcher im Holz auf, „jedes Loch entspricht einem Insekt“. Wenn nur wenige überleben, beginnt die Population wieder zu wachsen. „Ein neuer Ausgangspunkt kann auch ein alter Stuhl sein, der befallen ist und in die Kirche gestellt wird.“ Holzwürmer haben keine Vorlieben, sie fressen alles tote Holz, fliegen aus und vermehren sich in der näheren Umgebung. Die gesamte Maßnahme wird Mitte nächster Woche abgeschlossen sein….