Als man in Dähre den Holzwurm los wurde
St. Andreas ist frei von Schädlingen
Gerade mal 3-5 Millimeter misst der Gemeine Nagekäfer (anobium punctatum). Seine Larven mit ihrer Vorliebe für trockenes und verbautes Holz haben ihm den umgangssprachlichen Namen „Holzwurm“ eingebracht. Vor allem in kühlen und feuchten Kirchen findet man ihn (viel zu) häufig.
Verbreitet ist der Gemeine Nagekäfer in ganz Europa, hierzulande ist er der häufigste einheimische Holzschädling. Auch die ehemalige Probsteikirche St. Andreas in Dähre im Altmarkkreis Salzwedel (Sachsen-Anhalt) zählte zu seinen Habitaten. Die kleine Kirche aus Feldsteinmauerwerk ist eines der ältesten Gotteshäuser der westlichen Altmark, der Vorgängerbau stammt vermutlich aus dem 12. Jahrhundert. Eine komplizierte hölzerne Hängewerkkonstruktion trägt die Decke. Emporen, Einbauten, Orgel und Kanzel sind gleichartig mit vielen Holzelementen harmonisch gestaltet. Und genau hier lag das Problem.
Das verbaute Holz in der Kirche war massiv vom zerstörerischen Nagekäfer befallen – nicht nur auf der rein dekorativen Ebene, auch die Statik der Konstruktion war in Mitleidenschaft gezogen. Im Juni 2021 stand fest: Lokale Sanierungsversuche sind hier aussichtslos – eine kurzfristige globale Lösung musste her. Was gar nicht so einfach ist, denn anobium punctatum ist ein seiner Entwicklung sehr genügsam. Unter idealen Bedingungen entwickelt sich eine Larve innerhalb eines Jahres – sie kann aber auch über einen Zeitraum von bis zu acht Jahren allmählich heranwachsen.
Überdies sind die Plagegeister außerordentlich gut geschützt: die Larven der holzzerstörenden Insekten durchbohren die verbauten Hölzer ja nicht nur an der Oberfläche, sondern tief im Inneren. Dabei verstopfen sie ihre Gänge mit Nagespänen und ihren Ausscheidungen, während sie sich durch das Splintholz fressen. Äußere Einflüsse wie Hitze oder Kälte können den Larven also kaum etwas anhaben, das gleiche gilt für Fressfeinde.
Auch das Schnitzretabel auf dem Altar war in Gefahr.
St. Andreas in Dähre ist eine ehemalige Probsteikirche mit langgestrecktem Saal aus Feldsteinmauerwerk
Das Schiff besitzt zweireihige Rundbogenfenster, die Decke ist eine komplizierte hölzerne Hängewerkkonstruktion.
Deutlich zu erkennen sind die Bohrmehlfahnen an den Dachbalken, die der Nagekäfer hinterlassen hat.
Auch auf den Balken sind die Hinterlassenschaften der Käferlarven zu finden. Der Befall war massiv.
Die holzzerstörenden Insekten mussten dringend beseitigt werden.
Auch das Schnitzretabel auf dem Altar war in Gefahr.
St. Andreas in Dähre ist eine ehemalige Probsteikirche mit langgestrecktem Saal aus Feldsteinmauerwerk
Fachleute für die Bekämpfung derartiger Schädlinge zählen eine ganze Reihe von Faktoren auf, von denen der Erfolg einer Maßnahme abhängt. Das beginnt bei Stärke und Dichtigkeit der abschirmenden Holzschicht, Temperatur, Luft- und Holzfeuchte und reicht bis hin zu Alter, Entwicklungszustand, Konstitution und Art der Insektenlarven. Überdies sei es kaum möglich, während der Bekämpfung laufend konstante Bedingungen einzuhalten. Wie lässt sich also sicherstellen, dass am Ende keine lebensfähigen Schädlinge mehr im Holz hausen? Das betroffene Gebälk kann man ja schlecht zersägen und nachschauen.
Für die St. Andreaskirche in Dähre wurde dabei auf die so genannte „Prüfbalkenmethode“ mit dem sachlich-technischen Eigennamen „SAA E03“ der Materialprüfanstalt Brandenburg GmbH zurückgegriffen. Vereinfacht gesagt wird dabei eine „optimale Kontrollgruppe unter idealen Bedingungen“ verwendet: gut entwickelte Larven in einer starken Dämmung unter perfekter Holzfeuchte in fest verschlossenen Prüfbalken aus der gleichen Holzart wie in der Kirche. Beide Larvenpopulationen werden dann der identischen Maßnahme ausgesetzt. Sind die Insekten mit idealen Bedingungen in den Prüfbalken am Ende nicht mehr am Leben, dann gilt das auch für diejenigen im Dachstuhl, die viel schlechter geschützt waren.
Am Ende steht eine gute Nachricht: anobium punctatum ist verschwunden und kann der Kirche nicht mehr gefährlich werden. St. Andreas ist eine der Hauptkirchen im Pfarrbereichs und wird regelmäßig für Andachten und Gottesdienste der Ortsgemeinde, den Pfarrbereich und die Region genutzt. Ganzjährig finden kirchenmusikalische Veranstaltungen und Konzerte statt. Mit großem Interesse und Engagement verfolgt die Gemeinde die Erhaltung ihrer Kirche. 2020 konnte das zahlreicher Spenden die Generalreparatur der Orgel durchgeführt werden. Ein Förderverein macht sich für die Wiedererrichtung des Turms stark, der nach seinem Einsturz 1939 Anfang der 1950er Jahre abgetragen wurde. Die Stiftung KiBa hat die Schädlingsbekämpfung im vergangenen Jahr gefördert.
Der Bericht ist von der Homepage der Stiftung Kiba übernommen.